Otto Umfrid

Die alte, bis 2006 bestehende Otto-Umfrid-Schule fusionierte im März 2006 mit der bestehenden Fritz-Ruoff-Schule. Damit der bemerkenswerte Pfarrer Otto Umfrid nicht wieder der Vergessenheit anheim fallen sollte, erhielt der im März 2006 bezogene Neubau den Namen „Otto-Umfrid-Bau“.

Wer war Otto Umfrid? (1857 – 1920)

Er wurde im Mai 1857 in Nürtingen als Sohn eines – nicht sehr erfolgreichen – Rechtsanwaltes geboren. Schon sein Vater wurde als „kritischer, eigenwilliger und unbequemer Zeitgenosse und als verruchter Demokrat“ beschrieben. Sein Verhältnis zur Amtskirche war gespannt.

Otto Umfrid sagte später über seine Schulzeit: „gelernt habe ich nicht viel.“ Ihm missfiel schon als Jugendlicher die militaristische und nationalistische Erziehung. Vielleicht liegen in diesen Erfahrungen die Wurzeln für seine spätere pazifistische Haltung!

Nach seiner Gymnasialzeit trat er als 18 – jähriger in das ev. Stift in Tübingen ein um Theologie zu studieren.
Während seiner Studienzeit befasste er sich – auch geprägt durch seinen Vater – mit dem seinerzeit bekannten Philosophen Karl Christian Planck. Dieser forderte schon damals eine Ächtung des Krieges und die Schaffung einer Weltregierung im Rahmen einer internationalen Staatengemeinschaft (die UNO könnte man als Vorstufe davon erachten.)

Mit diesem geistigen Hintergrund stieß Umfrid auch bei seinen eigenen Vorgesetzten auf Ablehnung. Nach seiner Examenspredigt wurde er 1879 in ein streng gläubiges Pfarrhaus strafversetzt!

Seine erste Pfarrstelle (1884) führte ihn nach Peterzell im Nordschwarzwald, wo er mit der unsäglichen Armut der Kleinbauern konfrontiert wurde.

Seine spätere Pfarrstelle in Stuttgart ließ ihn die Not der aufkommenden Industriearbeiterschaft erfahren.
Für ihn wurde immer klarer, dass die soziale Frage untrennbar mit der Friedensfrage verbunden sei. Ursache für die Übel der Zeit sei, dass „in der Politik nur das Recht des Stärkeren gelte“.

Die zunehmende Militarisierung Deutschlandes (nach Bismarcks Rücktritt noch verstärkt) bewog ihn dazu, 1894 in die Deutsche Friedengesellschaft einzutreten, die kurz vorher in Stuttgart gegründet wurde. Ab 1900 war er deren Vizepräsident; er hielt über 400 Vorträge über die Friedensfrage – unter anderem in Münsingen, das seit 1895 einen Truppenübungsplatz hatte. Dies war gar nicht im Sinne der dortigen Geschäftsleute und Honoratioren. Er wurde fortan als „Friedenshetzer“ verunglimpft!

Geradezu visionär war seine Forderung nach einem „Europa den Europäern“ (so der Titel einer seiner zahlreichen Schriften). „Die Gefahr, in einen Weltbrand verwickelt zu werden, wird nur dann überwunden sein, wenn die Staaten Europas sich verbinden.“

Seine Zeitgenossen verstanden ihn überhaupt nicht mehr! Und weiter: „Die Grundlage für die Rüstungen bildet das krankhafte Misstrauen, das die Staaten auseinander hält. Erst wenn wir die verbündeten Staaten von Europa haben, werden die Rüstungen herabgesetzt werden….. So lange die europäischen Staaten aber nicht darauf eingehen, bleibt zunächst nichts anderes übrig, als das Spiel des Wahnsinns weiter zu treiben und an der Schraube ohne Ende weiter zu drehen. Aber, dass das ein Wahnsinn ist, das sollte man allmählich einsehen….“

1913 erblindete Umfrid, er wurde pensioniert. 1914 wurde Otto Umfrid von Bertha von Suttner zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen, den er wohl auch als 1. Deutscher bekommen hätte, wenn im August des gleichen Jahres nicht der 1. Weltkrieg ausgebrochen wäre. In diesem Kontext einem Deutschen den Friedensnobelpreis zu verleihen, war nicht vermittelbar.

Otto Umfrid wurde zunehmend vergessen; er hatte es auch psychisch nicht verkraftet, dass all seine Vorhersagen eingetroffen waren und Millionen auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges ihr Leben lassen mussten.

Am 23. Mai 1920 starb Otto Umfrid, der Friedenkämpfer, vergessen und auch psychisch schwer krank in Stuttgart!
Fritz Ruoff und Otto Umfrid könnte man als „Brüder im Geiste“ bezeichnen. Die beiden Namen, so finden wir, passen prima zusammen; unsere Schule kann auf ihre Namensgeber stolz sein!

Hans-Ulrich Funkenweh im Sept. 2010
Alle Zitate sind dem Buch entnommen: Christof Mauch, Tobias Brenner, „Für eine Welt ohne Krieg – Otto Umfrid und die Anfänge der Friedensbewegung“, 1987 Schöneich.